30 Jahre Engagement in Zentralamerika: Unser neues Kapitel startet in Guatemala

Kommentar

Nach 30 Jahren verlegt die Heinrich-Böll-Stiftung ihr Regionalbüro Zentralamerika nach Guatemala. El Salvador bleibt ein wesentlicher Teil unserer Geschichte sowie unseres heutigen und zukünftigen Wirkens. 

Grafik: Große bunte Zahl 30, umgeben von fünf tropischen Vögeln in kräftigen Farben, mit grünen Blättern im Hintergrund.

Als die Heinrich-Böll-Stiftung 1995 ihr Büro in El Salvador eröffnete, blickte Zentralamerika gerade auf die dunkelsten Jahre seiner jüngeren Geschichte zurück. Die Bürgerkriege waren zwar beendet, doch ihre Folgen waren allgegenwärtig: tief gespaltene Gesellschaften, Tausende Verschwundene und ganze Generationen, die von Gewalt und Ungleichheit gezeichnet waren. In diesem Kontext waren unsere Ankunft und Präsenz eine politische und moralische Entscheidung. Wir gehörten zu den ersten Auslandsbüros der Stiftung und kamen mit einer klaren Überzeugung: Wahre Demokratie entsteht nicht von oben, sondern aus der Gesellschaft selbst. Diese Überzeugung prägt unsere Arbeit bis heute. Die Stiftung ist mittlerweile mit Büros in 34 Ländern und Projekten in mehr als 60 Ländern aktiv.

 Wahre Demokratie entsteht nicht von oben, sondern aus der Gesellschaft selbst.

Seitdem diente El Salvador dreißig Jahre lang als Ausgangspunkt einer Zusammenarbeit, die sich für Frieden sowie soziale, ökologische und geschlechterpolitische Gerechtigkeit einsetzt, die für uns untrennbar sind. Aus dieser grundlegenden Haltung entwickelte sich im Laufe der Jahre eine umfassendere politische Vision: die sozial-ökologische Transformation. Wir verstanden, dass Klimagerechtigkeit, Menschenrechte und feministische Demokratie keine getrennten Anliegen sind, sondern gemeinsame Wege, um Leben zu schützen und Würde zu sichern.

In den drei Jahrzehnten waren wir nicht nur Beobachter*innen, sondern präsent in den Regionen in Momenten großer Fragilität und ebenso großer Hoffnung. Wir standen an der Seite derjenigen, die sich in dieser Region für soziale, ökologische und geschlechterbezogene Gerechtigkeit einsetzen. Wir unterstützten Hunderte von Organisationen und Gemeinschaften, die sich mutig gegen Ungleichheit, Autoritarismus und Straflosigkeit stellen und mutig ihr Recht auf ein würdiges Leben verteidigen. Dabei begleiteten wir wichtige Anliegen der Gemeinschaften: die Verteidigung der Gemeingüter; die Selbstbestimmung Indigener und Afro-Zentralamerikaner*innen; das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung; das Recht der ländlichen Gemeinden auf Wasser, Gesundheit und Ernährungssouveränität sowie das Recht der LGBTIQ+-Personen, frei zu leben und zu lieben. 

Und in Zeiten des Leids und der Schwäche – wie nach dem Hurrikan Mitch – sahen wir auch die Kraft der Solidarität, die zwischen Nachbar*innen, Bäuer*innen, Jugendlichen und weiblichen Führungskräften entstand. Ohne auf den Staat zu warten, bauten sie das Leben mit ihren eigenen Händen wieder auf. Wir stellten uns an die Seite von Menschenrechtsverteidiger*innen, die ihre Freiheit und Sicherheit riskierten, um Natur und Menschenrechte zu schützen, und begleiteten ihren Kampf mit Respekt, Verständnis und Solidarität. Über die Jahre hinweg arbeiteten wir eng mit Universitäten, Kollektiven und Think Tanks zusammen. Ziel war es, kritisches Wissen zu fördern, Debatten anzuregen und politische Vorschläge zu entwickeln, um der Klima- und Demokratiekrise unserer Region etwas entgegenzusetzen. Durch unser Sur-Place-Stipendienprogramm unterstützten wir zudem junge Menschen aus El Salvador und ganz Zentralamerika, die heute in Forschung, Kunst, Journalismus und Aktivismus unterwegs sind. 

Wir setzen auf Bildung, denn wir sind überzeugt: kritisches Denken und Bildung sind transformative Kräfte, die Demokratie und Hoffnung aufrechterhalten können. Von El Salvador aus entstand ein solidarisches Netzwerk, das ganz Zentralamerika verbindet. Bis heute blicken wir auf die Erfahrungen in den einzelnen Ländern: In Nicaragua lernten wir die Stärke ländlicher Gemeinden kennen, die ihre Flüsse schützen. In Honduras begegneten wir dem Mut von Umweltverteidiger*innen, die trotz Repression weiterkämpfen. In Guatemala sehen wir das Durchhaltevermögen der Indigenen, die historische Gerechtigkeit einfordern. In Costa Rica erlebten wir das Engagement für den Schutz der Gemeingüter. Überall trafen wir auf die gleiche Gewissheit: Solidarität kennt keine Grenzen, und wo Regierungen Räume verschließen, finden die Menschen neue Wege.

Zu unserem dreißigjährigen Jubiläum halten wir inne und würdigen den gemeinsam gegangenen Weg. Dieses Dossier ist eine Sammlung von Erinnerungen: Publikationen, Gesichter, Stimmen und Geschichten, die unserer Arbeit Bedeutung und Tiefe verleihen. Es vereint dreißig Jahre, dreißig Erzählungen, verfasst von Menschen, die dafür gesorgt haben, dass die Hoffnung in Zentralamerika weiter wächst.

Unser besonderer Dank gilt allen, die Teil des Teams der Heinrich-Böll-Stiftung in El Salvador waren und sind. Ihr Engagement, ihre Hingabe, ihre Professionalität und ihr tiefes Einfühlungsvermögen waren das Herzstück dieser Arbeit, die das Team drei Jahrzehnte lang geleistet hat. Ihre stille und beständige Arbeit, oft unter schwierigen Bedingungen, hat es ermöglicht, dass die Werte der Stiftung – Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit – in konkrete und transformative Maßnahmen umgesetzt wurden. Ich danke jedem und jeder Einzelnen von Ihnen dafür, dass Sie diese gemeinsame Geschichte zu einer Geschichte der Würde und Hoffnung gemacht haben. Wir werden uns auch weiterhin dafür einsetzen, diese wertvolle Arbeit aller zu würdigen und fortzuführen. 

El Salvador bleibt ein wesentlicher Teil unserer Geschichte und unseres heutigen Wirkens.

Unser Dank gilt auch allen Menschen und Organisationen, die uns begleitet haben, die uns die Türen ihrer Gemeinden, ihrer Häuser und ihrer Herzen geöffnet haben und die auf das Wort und die gemeinsame Arbeit vertraut haben. Vor allem danken wir unseren Partner*innen für ihr unerschütterliches Engagement, ihre Sorgfalt und ihre Menschlichkeit. Nach dreißig Jahren verlegen wir unser Regionalbüro nach Guatemala. Diese Entscheidung ist eine Reaktion auf politische und sicherheitsbezogene Entwicklungen, die eine Anpassung notwendig machen, damit wir unseren Auftrag auch weiterhin erfüllen können. Dies ist jedoch kein Abschied, sondern eine Weiterentwicklung. El Salvador bleibt ein wesentlicher Teil unserer Geschichte und unseres heutigen Wirkens. Hier haben wir Wurzeln geschlagen, hier haben wir gelernt, hier wurden wir Teil einer Gemeinschaft, die sich für Gerechtigkeit einsetzt. 

Von Guatemala aus werden wir gemeinsam mit Ihnen weiterhin an der Zukunft arbeiten mit derselben Überzeugung, mit der wir begonnen haben: Das Leben in all seinen Formen zu schützen, ist die tiefgreifendste und hoffnungsvollste politische Handlung unserer Zeit. Diese Aufgabe ist Teil einer globalen Verantwortung, die wir mit allen Büros der Heinrich-Böll-Stiftung teilen: eine sozial-ökologische Transformation voranzutreiben, die auf Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und demokratischer Verantwortung gegenüber unserem Planeten basiert. 

Auch nach dreißig Jahren sind wir überzeugt: Zentralamerika ist nicht nur eine geografische Region, sondern eine Gemeinschaft von Widerständen und Hoffnungen, die uns weiterhin inspiriert und bestärkt.


Der Beitrag erschien zuerst auf Spanisch auf der Seite des Büros Zentralamerika

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